Sonntag, 31. Juli 2016

Es geht nach Hause!

Es geht nach Hause!

...Und wie man so durchs Leben eiert...


...ich wollte endlich da raus, endlich wieder nach Hause!
Als die Physiotherapeutin sagte, sobald ich wieder Treppen steigen könnte ohne Pause zu machen dürfte ich gehen, fing ich sofort mit dem "Training" an. Daher mussten sie mich ca 2 Wochen nach dem Unfall gehen lassen. Ich habe mich so gefreut, als ich endlich wieder in Garding war.
2 Monate war ich noch mindestens krank geschrieben. Dann konnte ich wieder zur Schule gehen! Die erste Zeit mit Halskrause, aber immerhin war ich anwesend und am Leben. Ich hatte das Schuljahr schon einmal gemacht und wollte es wiederholen. Blöd nur dass der erste Schultag der Tag meiner OP war und ich somit schon wieder sämtlichen Unterricht verpasst hatte. 

Zudem bekam ich noch weitere Probleme: Kopfschmerzen und Panik. Die Kopfschmerzen waren am Anfang nur das leichtere übel und relativ selten. Die Panikattacken waren zu dem Zeitpunkt ein größeres Problem. 
Beispielsweise konnte ich nach zwei Monaten meine Halskrause immer für einige Stunden im Liegen abmachen... wenn ich mir dann an den Hals fasste, spürte ich sofort dass etwas anders war. Bis heute habe ich das Gefühl der 7. Halswirbel schaut einfach zu weit raus, und auch die Narbe mit den Fingern zu fühlen, jedoch am Nacken selbst nichts fühlen zu können macht es nicht besser.
Diese Situationen brachten mich immer in den Zustand eines verschreckten Kaninchens, das Angst hat jeden Moment gefressen zu werden. Sprich: Ich lag regungslos mit weit aufgerissenen Augen und voller Panik da und mir liefen die Tränen über die Wangen. Eins war klar: Mit meiner Narbe müsste ich mich erst einmal noch anfreunden müssen...

Nun beginnt ein Teil meines Lebens den ich gerne "rumgeeier" nenne. Man eiert halt so rum, weiß nicht wo man hingehört und kriegt einfach nichts gebacken. Ja, genau so ging es mir.

Nachdem ich den ganzen Schulstoff verpasst hatte, suchte ich mir erstmal einen Aushilfsjob in einem Supermarkt. Dort jobbte ich ein paar Monate und meldete mich für das wiederum nächste Schuljahr (2009) an einem Gymnasium in St. Peter-Ording an. Aber auch hier holten mich meine Probleme ein. 
Ich konnte mich nicht konzentrieren, fehlte oft wegen verschiedener Schmerzen und meine Therapien wurden nicht anerkannt. Panikttacken suchten mich mitten in wichtigen Klausuren heim...
Daher verließ ich auch diese Schule wieder und wurde vom Arbeitsamt eingeladen. Man machte mir den Vorschlag, eine Ausbildung in einem Behindertenwerk zu machen, dort wäre ich in einem geschützten Rahmen. Doch ich wehrte mich mit Händen und Füßen gegen diese Idee. Mit Behindertenwerk verband ich in erster Linie Rollstuhlfahrer und Menschen mit Hörgeräten. Also steckte das Arbeitsamt mich erst einmal in eine sogenannte Maßnahme der Wirtschaftsakademie Schleswig-Holstein. Hier lernte man in erste Linie das Schreiben von Bewerbungen, jedoch gab es auch noch den Berufsschulunterricht und andere Dinge zur Persönlichkeitsentwicklung, wie Gespräche mit Psychologen oder Theater spielen. Im Nachhinein gab es leider auch wirklich viele Tage, an denen wir uns an diesem Ort zu Tode langweilten!

Im Rahmen der geschriebenen Bewerbungen bekam ich ein Vorstellungsgespräch bei einem Fotografen. Ich hatte Glück und durfte in einem Praktikum mein können unter Beweis stellen.
Dann kam der Tag, an dem ich Peter-Harry Carstensen plötzlich die Hand schüttelte und ihn fotografieren durfte. Dieser Tag war so super und interessant. Doch das beste war, dass mir am Nachmittag meine Lehrstelle zur Fotografin versprochen wurde. 
Nun waren die Weichen für meine Zukunft endlich gestellt!

Samstag, 30. Juli 2016

Bergauf

Bergauf

Es muss erst schlimmer werden, bevor es besser wird!

Der Tag nach der OP war einfach nur mein größter Horror. Ich erfuhr dass die OP doch noch mehrstündig wurde und noch während der OP entschieden wurde anstatt einer Platte vier Schrauben und zwei Verbindungen zu nutzen. Diese könnten auch mein Leben lang drin bleiben.
Meine Mutter war wieder zu Besuch, zum Glück. Im Krankenhaus war es sehr einsam.

Sie war auch an dem Tag da, als der Drainage-Schlauch gezogen werden musste.
Alleine die Vorstellung, dass unterhalb meiner Narbe ein Schlauch aus mir heraus hing machte mich ziemlich fertig. Die Beutel mit Wundflüssigkeit neben meinem Bett ignorierte ich jedoch gekonnt.
Nun kam also der Arzt rein und verkündete, mir diesen Schlauch zu entfernen.
Natürlich weiß ich dass diese Schläuche sehr glatt und dünn sind. Ich schwöre jedoch, in dem Moment hatte ich das Gefühl er zieht mir einen geriffelten, ewig langen Schlauch aus dem Rücken.
Was bin ich froh, dass man sich nicht an Schmerzen erinnern kann!

Noch am selben Tag sollte es wieder losgehen, mich auf die Beine zu bekommen.
Darauf hatte ich richtig Bock! Ich wollte nämlich die ganze Zeit nur eins: Endlich wieder laufen!
"Erstmal versuchen wir es mit sitzen", sagte die Schwester zu mir.
Voll motiviert half sie mir mich aufzusetzen. Die Schmerzen waren nicht das schlimmste. Mein Kreislauf ging sofort in die Knie und alles wurde schwarz vor Augen. Angst und Tränen.
Nein, sitzen fand ich nun blöd, ich wollte nicht ohnmächtig werden und hatte große Angst davor.
So kam es also, dass mein Essen die nächsten Tage so positioniert wurde, dass ich sitzen musste. Ich wurde quasi gezwungen. Das war auf der einen Seite ziemlich gemein, auf der anderen Seite sehr nötig, sonst hätte ich mich wohl nie wieder aufgerafft.

Als das mit dem Sitzen ging, wurde ein Rollstuhl besorgt, mit dem ich von Freunden und Familie durch die Gegend geschoben werden konnte. Es war kein typischer Rollstuhl, wie man ihn halt kennt. Es war eine Art Sessel mit langer Lehne, so konnte ich meinen Kopf anlehnen und musste das Genick nicht zu sehr belasten. Zusätzlich bekam ich nach ein paar Tagen eine schicke neue Halskrause, die mich von nun an weitere 6 Monate begleiten sollte.

Besonders wenn ich Besuch hatte, machte ich große Fortschritte. Am Anfang konnte ich nur wenige Schritte machen ohne zusammenzubrechen, doch nach und nach wurde ich immer fitter!

Dienstag, 26. Juli 2016

Die Operation

Die Operation

mein zweiter Geburtstag

Am 01.09.08 war es dann soweit. Endlich sollte mein Hals wieder zusammen geschraubt werden.
Der ursprüngliche Plan war eine Operation von 1,5 Stunden, in der mir eine Platte ins Genick eingesetzt werden sollte. Auf der einen Seite wollte ich endlich wieder aufstehen und laufen können. Nur hatte ich auch eine riesige Todesangst vor der OP. Diesmal war mein Vater da und sollte mich vor der OP unterstützen. Ich bekam direkt die berühmte "Scheißegal-Tablette" und war dementsprechend drauf. Mein Papa sagte immer wieder, es würde schon alles gut gehen. Anschließend verabschiedete er sich und ich wurde in einen Raum geschoben und an Kabel angeschlossen. Hier verging die Zeit viel zu langsam. Ich dachte schon ich wäre vergessen worden und war weggedöst, erwachte dann aber von einem stechendem Schmerz in meinem Hals. Vermutlich wurde ich gerade intubiert. Ich schlug um mich und versuchte mich zu wehren, dann war ich wieder weg.

Ich konnte nichts spüren oder sehen... auch die Augen öffnen konnte ich nicht. Bewegungslos hörte ich eine Stimme: "Das geht so nicht, sie muss länger schlafen".
Ich hatte das Gefühl nach nur fünf Sekunden sagte dieselbe Stimme "Jetzt ist es ok, wir können sie zurück in ihr Zimmer bringen". Noch immer konnte ich mich nicht bewegen, geschweige denn was sagen. Mein Bett setzte sich in Bewegung und ich spürte wieder etwas: Einen starken Schmerz jedesmal wenn mein Bett über einen kleinen Wiederstand holperte. Vor Schmerzen stöhnte ich auf aber es kamen nur ganz merkwürdige Geräusche aus mir heraus. Es hörte sich an wie ein schreckliches Krächzen.
Der Rest des Tages war dementsprechend gelaufen. Ich habe wirklich nichts und niemanden mehr mitbekommen. Reden war nicht möglich, nur krächzen. Meine Beine kribbelten stark, meinen linken Fuß konnte ich nicht spüren, aber immerhin hatte ich die Operation überlebt.

Dienstag, 19. Juli 2016

Erste Ergebnisse

Erste Ergebnisse

und eine wichtige Entscheidung

Am nächsten Morgen wachte ich völlig fertig auf. Meine Eltern (das heißt bei mir immer meine Mutter mit ihrem Freund) waren ins Krankenhaus gekommen. Das kleine Mädchen im Nebenbett war abgeholt worden. Da noch immer nicht genau klar war, was mit meinem Genick passiert war, wurde noch ein MRT angeordnet.

Als der Arzt mit den Ergebnissen kam, war meine Mutter zum Glück noch da. Er erzählte uns dass die Verbindung hinter der Wirbelsäule durchgerissen war. Man nennt das Hyperflexionstrauma.
Er sagte es gibt die Möglichkeit, dass es von selbst wieder zusammen wächst, jedoch wäre eine Operation der Wirbelsäule zur Stabilisierung ratsam.

Meine Mutter und ich entschieden uns für eine Operation. Das war eindeutig die richtige Entscheidung. Da wäre nämlich nichts mehr von alleine zusammen gewachsen.

Nun stand jedoch das Wochenende vor der Tür, das hieß ich musste noch bis zu dem OP-Termin am Montag warten.

Ich war ans Bett gefesselt und konnte mich kaum bewegen. Ab und zu kam jemand rein und wusch mich. Ich glaube sonst vegetierte ich mit den Augen auf dem Fernseher vor mich hin.

Das absolute Highlight jedoch waren die Besuche vonFamilie und Freunden im Krankenhaus in Flensburg, die ich teilweise wegen des Morphiums nur sehr verschwommen mitbekam. In dieser Zeit konnte ich sehr viel lachen. Meine Freunde, mit denen ich in den Urlaub gefahren war, waren öfter da. Einmal kamen sogar die beiden Jungs aus Bayern, die beim Unfall dabei waren vorbei. Auch ein paar Freunde aus Rendsburg, die ich 2006 auf einem Ärzte-Konzert kennen gelernt hatte, machten sich auf den Weg zu mir nach Flensburg.

Die Größte Überraschung war mein alter Freund Patrick.
Patrick und ich kannten uns schon fast unser gesamtes Leben. Unsere Eltern hatten sich im Urlaub kennen gelernt. Im Norderheverkoog auf Eiderstedt wohnt mein Opa auf einem tollen Hof, auf dem er auch viele Ferienwohnungen vermietet. Patricks und meine Familie waren oft gemeinsam da um z.B. Krabben fischen zu gehen.
Patrick und ich in dem Garten von meinem Opa im Norderheverkoog

Jedenfalls stand auch Patrick plötzlich in meinem Zimmer im Krankenhaus! Das war wirklich eine riesige Freude.

So "überlebte" ich also noch ein weiteres Wochenende bis ich am Montag für die OP geweckt werden sollte.